Der dritte Tag beginnt mit einer Entdeckungstour des Outdoorcamps, da es am Tag zuvor dafür zu dunkel war. Aber erst nach einem zünftigen Frühstück. Frisch zubereitet vom Chefkoch des Camps persönlich. Natürlich über den Flammen der Feuerstelle. Alle biologisch im heimischen Garten gezüchtet. Zuchini, Kartoffeln, Tomaten, frei laufende Eier. Ich ließ mir dabei viel Zeit. Es stehen schließlich noch viele Etappen vor mir. Viele Kilometer. Eine Reise ins Unbekannte.
Doch noch etwas gibt mir Jan ingo mit auf die Reise. Eine Erste-Hilfe-Karte für unterwegs und - eine Schnur, dessen Einsatz noch unbestimmt ist, doch zu den wichtigsten Utensilien zählen wird. Welch ein Zufall.
Es ist warm und sonnig. Klar dass ich auf den ersten Kilometer meine Jacke nicht vermisse, die noch an einer Astgabelung des Biwag hängt. Die digitale Kommunikation und die freundliche Unterstützung von Jan Ingo macht es möglich, dass ich schon in Kürze die Reise wieder vollständig und ohne Rückkehr zum Camp weiterführen kann. Ich werde später diesen Marsch als eher beschwerlich in Erinnerung behalten. Der Weg raus aus dem Wald führt mich am Bauernhof entlang, durch den Ort Dettensee, weiter durch einen Waldstück mit spürbaren Steigungen und schließlich vor der Überwindung des Neckars. Bei Eyach, einem Ort, benannt nach den selbigen Fluß, habe ich einen tollen Ausblick auf die Hochbrücke der Autobahn 81, doch muss ich gleichzeitig feststellen, dass ich die Neckar nur über die Landstraße überqueren kann. Ich wechsel ständig die Straßenseite, dass mich vorbeifahrene Autofahrer immer frühzeitig erkennen können. Diese Taktik sollte ich heute länger beibehalten. Straßen führen von Ort zu Ort. Nur Straßen, keine Fuß- oder Radwege. Glücklicherweise keine vielbefahrenen Straßen, doch wenn aufgrund der Leitplanken keine Ausweichmöglichkeit gegeben ist, gestaltet sich der Weg eher unangenehm, besonders bei rannahenden LKWs. Die Fahrer sind heute eher entspannt, einer bietet mir sogar an, mich ein Stück mitzunehmen. Das kommt für mich nicht in Frage. Jeder Kilometer soll zu Fuß zurückgelegt werden. Nach Weitingen erreiche ich Eckenweiler, an vielen Maisfeldern und Streublumenwiesen vorbei Ergenzingen und schließlich Bondorf.
Bei der Reiseplanung orientierte ich mich an einzelne attraktive Ort, auf die ich während meiner Reise zwischen Zimmern über Frankfurt, Hannover und Hamburg treffen würde und nach Möglichkeit nicht viel weiter als 25 km auseinander liegen. Da Herrenberg oder andere Orte schlicht zu weit weg liegen, entschied ich mich spontan für Bondorf, googelte nach Anlaufpunkte und stieß auf die evangelische Kirche. Vermutlich auch, weil sie die Startseite von bondorf.de ziert. In Teilen der Friedensbewegung wird die Kirche als Institution verteufelt. Sei sie doch Schuld an Kriege, Ausbeutung und Knechtschaft seiner Gefolgschaft. Doch woher kommt eine solche Meinung? Natürlich gab es eine Zeit in der Vergangenheit, oder sind es eher einige Jahrhunderte, da bekleckerte sich die Kirche nicht gerade mit Ruhm. So wurde die Macht des Glaubens für Herrschaft und Reichtum mißbraucht. So, dass auch vor 500 Jahren ein Mann namens Martin Luther die Thesen und eine evangelisch protestantische Glaubensgemeinschaft hervorbrachte. Auch er war ganz gewiss kein Heiliger. Doch Kirche, Glauben, Gott und Christentum in einem Topf zu werfen und gänzlich zu verurteilen wäre ein großer Fehler. Später werde ich mich mit diesem Thema intensiver Beschäftigen, doch jetzt steht der Marsch im Mittelpunkt. Dennoch habe die Vermutung, dass "die Kirche" schon bald ein wichtiges Rädchen in der Friedensbewegung darstellen wird.
Noch bis zum Mittag stand nicht fest, ob eine Übernachtung bei der Kirche möglich wäre, zumal die Mitarbeiter mit dem Umzug des Pfarrhauses beschäftigt waren. Meine Frau setzte von Zuhause aus alle Hebel in Bewegung. Eine sicherlich nicht befriedigende Lösung für Sie. Für meine Unterkunft mit verantwortlich zu sein und doch zu Hause allein gelassen zu sein.
Ich bin diese Nacht glücklicherweise nicht der Obdachlosigkeit ausgeliefert. Nur vor 22 Uhr wäre kein Einlass möglich. Ich nutze die Zeit, um mich im Gasthaus des Ortes ein wenig zu stärken. Das kühle Bier ist eine Wohltat. Eine Pause gibt zwar immer neue Kraft, doch die Anlaufschwierigkeiten machen sich in den Füßen bemerkbar. Jeder Schritt ist schwerfällig. Ich schlürfe zu meiner Unterkunft und ziehe mich schon bald auf mein Zimmer zurück. Die über sieben Stunden andauernde Wanderung inkl. kleiner Pausen hat doch so seine Spuren hinterlassen. Am kommenden Morgen würde noch ausreichend Zeit für eine Unterhaltung verbleiben.