Tag 9: Kraichtal

Bild-Nr. 174 - copyright Frank Chudoba

Trotz nächtlicher Unterbrechung und kurzzeitigen Zweifel, den Klauen der wilden Tiere entkommen zu können, erwache ich zu morgendlicher Stunde durch das Wecksignal des Smartphones. Ich nehme auf der Bank des Grillplatzes Platz und frühstücke das mitgeführte Obst und bereitete mich auf den Tag mit den nun immer wiederkehrenden Ritual vor:

Das Trocknen des Zeltes in der Sonne, da der Tau der Gräser und der Aufenthalt im Zelt Kondenswasser am Innenzelt ansetzt. 
Das gründliche Eincremen der Füße mit Hirschtalg. Ein Tipp von der Webseite jakobsweg.de gegen Schwielen und Blasen an den Füßen. Und es hilft tatsächlich sehr gut.
Das Eincremen der Arme und Beine mit reichlich Sonnencreme, um die Haut vor der Sonne zu schützen, die den ganzen Tag auf mich herunterscheint. 
Ausreichendes Trinken schon vor dem ersten Schritt. Mitunter mit einer aufgelösten Magnesium-Brausetabelette. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie so viel getrunken, wie auf dieser Wanderung. 
Die Planung der kommenden Kilometer. Das in die Jahre gekommene Smartphone hat nicht die Akkuleistung, um per GPS als ständiges Navigationsgerät zu dienen. Die Powerbank dient lediglich als Ladestation, zumal eine Steckdose im Zelt nicht vorhanden ist.
Das Zusammenpacken des Rucksackes. Alles an seinen festen Platz, um das mit einem Handgriff zu finden, was gerade benötigt wird.
Letztendlich das Festzurren des Zeltes am Rucksack und obenauf noch die Isomatte. So dass alles bis zum Ende des Tages hält und nicht beim Wandern stört.

Ein wichtiger Schritt fehlt noch: Das Auffüllen der drei 1,5-Liter-Flaschen und der kleineren Alu-Trinkflasche mit Wasser. Dazu muss ich zu Beginn des Tages ein öffentliches Gebäude oder eine Bäckerei erreichen. Den Ort Knittlingen habe ich nach etwa einer halben Stunde erreicht. Die Bäckerei füllt meine Flaschen bereitwillig auf. Das stellte bislang auch nie ein Problem dar. Die Menschen sind hilfsbereit. EIn Vollkornbrötchen wird mein zweites Frühstück.

Das Wetter wird schwüler und heißer. Die Strecke ist nur wenig bewaldet und wird über Oberderdingen - Baumbach - Gochsheim - in den Kraichtal führen. Die Sonne brennt. Auch nach acht zurückglegten Wandertagen würde ich mich nicht als Wanderer bezeichnen. Eher habe ich den Eindruck, dass ich mich auf einem Orientierungsmarsch befinde. Ich orientiere mich an größere Ortschaften statt den direktesten Weg zu nehmen. Das satte grün der Felder, die süßen kleinen Orte lassen meine Gedanken schweifen. Ist der Weg das Ziel?

Warum gerade der Kraichtal als heutiges Ziel avisiert wurde? Es hätte auch das Schloß in Bruchsal sein können, welches über Bretten auch auf dem direkten Weg Richtung Norden gelegen hätte. Dieser heutige Weg weist einige Barrieren auf: Der Weg nach Kraichtal ist versperrt von einem umgestörten Baum, der in seiner vollen Größe quer über den Fuß- und Radweg liegt. Doch dieser kann mich nicht aufhalten. Irgendwie tummel ich mich durch das Geäst. Lieber sind mir am heutigen Tag die stehenden Bäume. Die Bäume, die mir Schatten spenden. Immer wieder nutze ich den Schatten für eine kurze Rast.

Das Graf-Eberstein-Schloss im nächsten Ort Gochsheim lag auf einer Anhöhe. Das einladend wirkende Gebäude ermutigt mich, die 95 Stufen zu überwinden. Angekommen im darin befindlichen evangelischen Begegnungshaus mit Kindergarten wirkten die Menschen dort weniger einladend; als wollten sie keine Fremden. Ich ziehe weiter durch die leeren Straßen. Ein Mahnmal zum zweiten Weltkrieg fotografiere ich kurz und begebe mich Richtung Münzesheim. Ein Ort, an dem ich schon häufiger war - allerdings mit dem Auto -, weil dort ein ehemaliger Kunde seinen Firmensitz hat. Da mein Wasservorrat nicht ausgehen darf, steuere ich die Firma an, in der Hoffnung dort jemand anzutreffen. Am Eingang werde ich freundlich empfangen, erzählte kurz von meiner Reise, welche auch die Dame ins Staunen versetzt. Die Geschäftsleitung ist leider nicht anwesend, doch nutze ich die Möglichkeit der Toilette zum Wasserlassen und Wassertanken. Tage nach dem Ende meiner Wanderung werde ich mit dem Geschäftsführer telefonieren. Er bedauerte es, nicht dagewesen zu sein. Der Vertriebsleiter dieser Firma hatte mich dann auch noch kontaktiert. Er habe meine Reiseberichte auf facebook verfolgt und sei von der Wanderung inspiriert worden. 

Nun wird es Zeit, sich Gedanken über einen Schlafplatz zu machen. Der Hunger treibt mich in den nächsten Supermarkt. Radieschen zum knabbern, Äpfel, der obligatorische Orangensaft, ein Brötchen, wenige vegetarische Kleinigkeiten dazu. Für mehrere Tage einzukaufen macht keinen Sinn. Weder kann ich das Essen kühlen, noch passt kaum etwas in den Rucksack.
Da mir die gesicherte tägliche Wasserration wichtiger als die kürzeste Strecke ist, entscheide ich mich, die Route entlang der Ortschaften zu wählen, statt durch das Grün und quer durch die Wälder des Schwarzwaldes. Doch zunächst erwartet mich eine schöne Wiese, abseits des Weges. Der Schlafplatz ist gefunden. Mit dem Gezirpe der Grillen schlafe ich schnell ein. 

Das Resümee des Tages:
Das Leben führt uns nur selten direkt an das Ziel.


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